Geschichten zum Autokennzeichen

Von IV B über AW 73 zu MA und HD

Nachkriegszeit in Weinheim: DKW Reichsklasse mit Zonenbuchstaben
Nachkriegszeit in Weinheim: DKW Reichsklasse mit Zonenbuchstaben

von Heinz Keller

Gelegenheit, mit dem Autokennzeichen Wortspiele zu betreiben, hatten wir eigentlich nur in den Jahren 1956 bis 1973, als sich mit dem gemeinsamen Kennzeichen MA für Stadt- und Landkreis Mannheim an MA MA oder MA XL, an MA RS oder MA DE, MA US oder MA UL denken ließ. 1973 kam die Kreisreform und mit ihr das Kennzeichen HD. Bei den wenigen Kombinationsmöglichkeiten muss man bei HD UL schon großzügig denken und dabei über Dialektkenntnisse verfügen, um auf den Weinheimer Schimpfnamen Hadull für einen nicht weit vom Schwachsinn entfernten Mann zu kommen. Aber originell ist ein solches Kennzeichen nicht.

Nur die „Weinheimer Nachrichten” sind seit der Kreisreform hochzufrieden, denn viele ihrer Leser bemühten sich um eine HD WN-Nummer. Inzwischen darf man das Vorzeichen HD auch mit den Anfangsbuchstaben des eigenen Namens und dem Geburts- oder Hochzeitstag kombinieren. Vergessliche Ehemänner und Freunde schätzen diese rollende Erinnerung.

Die ersten Kennzeichen

Eigentlich wurden wir Weinheimer noch nie verwöhnt mit originellen Autokennzeichen. Das begann schon 1906, als der Bundesrat, die Vertretung der Einzelstaaten im Kaiserreich, den Beschluss über Grundsätze des Kraftfahrzeugwesens fasste, die am 1.Oktober 1906 in Landesverordnungen umgesetzt wurden. Damals wurden auch polizeiliche Kennzeichen und die Vorschrift des Rechtsfahrens und des Linksüberholens im ganzen Deutschen Reich allgemeingültig eingeführt. Preußens Hauptstadt Berlin (I A) und die preußischen Provinzen einschließlich der Hohenzollernschen Lande um Sigmaringen (I L) stellten ihrem Kennzeichen die römische Ziffer I voran, Bayerns Hauptstadt München (II A) und die Kreise die Ziffer II, Württembergs Hauptstadt Stuttgart (III A) und die Kreise die Ziffer III.

IV für Baden …

Im Großherzogtum Baden folgte der römischen Ziffer IV der Großbuchstabe B für Baden und, nach einem Bindestrich, eine vierstellige Zahl. Franz Josef Heisel, Besitzer des Stahlbads und Begründer des Sommertagszugs, fuhr mit dem Kennzeichen IV B – 6906 an einem 4 PS starken Wagen, System Schwanemeyer-Aachen, durch die Lande.

… und V für Hessen

Fahrzeuge aus Hessen waren an der römischen Ziffer V zu erkennen und an V S für die Provinz Starkenburg mit Bensheim, Darmstadt, Dieburg, Erbach, Groß-Gerau, Heppenheim und Offenbach. Erst 1937 wurde landeseinheitlich das Kennzeichen V H eingeführt.

Den Kennzeichen im damals deutschen Elsaß-Lothringen stand eine VI voran (VI A für Unterelsass, VI B für Oberelsass, VI C für Lothringen). Das änderte sich 1918, als die Elsässer Franzosen wurden, und wieder 1940, als sie vom badischen Nachbarn regiert wurden und deshalb ihre Autos Kennzeichen mit der römisch-badischen Ziffer IV (IV ST für Straßburg) trugen.

Klare Vorschriften

Für die Anbringung der Kennzeichen an den Fahrzeugen gab es genaue Vorschriften. „Das vordere Kennzeichen ist in schwarzer Balkenschrift auf weißem, schwarz gerandetem Grunde auf die Wandung des Fahrzeugs oder eine rechteckige Tafel aufzumalen, die mit dem Fahrzeug durch Schrauben, Nieten oder Nägel fest zu verbinden ist. Die römische Ziffer IV, der Buchstabe B sowie die Nummern müssen in eine Reihe gestellt und Buchstabe und Nummern durch einen waagerechten Strich voneinander getrennt werden. Die Abmessungen betragen: Randbreite mindestens 10 Millimeter, Schrifthöhe 75 Millimeter bei einer Strichstärke von 12 Millimetern, Abstand zwischen den einzelnen Zeichen und vom Rande 20 Millimeter, Stärke des Trennungsstrichs 12 Millimeter, Länge des Trennungsstrichs 25 Millimeter, Höhe der Tafel ausschließlich des Randes 115 Millimeter”.

Bis 1945 galten die 1906 eingeführten Kennzeichen, nach und nach ergänzt um die Kennzeichen für die „heimgeholten” Reichsgaue Danzig-Westpreußen (DW), Sudetenland (S) oder Wien (W) und für die im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen besetzten Gebiete: P für das Protektorat Böhmen und Mähren (PD für Prag), Ost (IV Ost Warschau) für das Generalgouvernement (Polen), RKU für Reichskommissariat Urkraine, RO für Reichskommissariat Ostland, LUX für Luxemburg.

Ab 1945 Zonenbuchstaben

Nach Kriegsende wurde Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Nach zunächst unterschiedlichen Regelungen wurde das Kennzeichensystem 1949 einheitlich gestaltet mit der Einführung der Zonenbuchstaben A (Amerikanische Zone), B (Britische Zone), F (Französische Zone) und S (Sowjetische Zone). Bereits 1948 gab es allerdings Fahrzeuge mit dem Kennzeichen AW für Nordbaden und Nordwürttemberg, FB für Südbaden und FW für Württemberg-Hohenzollern. Den Kennzeichen folgten zweistellige Schlüsselnummern der Zulassungsstellen (70 bis 72 Stadtkreis Mannheim, 73 bis 75 Landkreis Mannheim) und vierstellige Fahrzeugnummern.

Fischtransport mit 4711

In Weinheim zugelassen war damals ein älterer Opel mit dem amtlichen Kennzeichen AW 73 4711. Die Weinheimer fanden das besonders originell, weil der Opel Jean Wörtge gehörte, der auf dem Marktplatz eine im ganzen Rhein-Neckar-Raum angesehene Fluss- und Seefisch-Handlung betrieb und seine fangfrischen Spezialitäten in dem Fahrzeug mit der Parfümmarke 4711 täglich an die Hotels in der Region lieferte.

Mit diesem Werbegag war es am 1. Juli 1956 vorbei, als bundeseinheitlich neue Kennzeichen eingeführt wurden. Stadt- und Landkreis Mannheim erhielten das aus dem Ortsnamen entwickelte Vorzeichen MA, der Kreis Bergstraße das HP für den Verwaltungssitz Heppenheim. Die Zulassungsstellen im Landkreis Mannheim wurden von den großen Serienbuchstaben A bis Z dargestellt und innerhalb dieser Serien mit den Erkennungsnummer 1 bis 999 versehen. Für den Nordbezirk des Landkreises, also für den ehemaligen Amtsbezirk Weinheim, galten fortan die Buchstaben P bis Z und die Zulassungsstelle Weinheim vergab für die rund 10.000 Fahrzeuge die Nummern P 1 bis Z 999. Die rasante Motorisierung machte jedoch bald zwei Buchstaben nach dem MA notwendig.

Mit HD für den Großkreis

Seit der Kreisreform von 1973 gilt für den aus den Landkreisen Mannheim und Heidelberg sowie Teilen des Landkreises Sinsheim entstandenen Rhein-Neckar-Kreis das Kennzeichen HD nach dem Verwaltungssitz Heidelberg, das auch für die Stadt Heidelberg gilt.

Lange hatten die Weinheimer auf RNK gehofft nach den Anfangsbuchstaben des Rhein-Neckar-Kreises, aber das Bundesverkehrsministerium hatte damals etwas gegen landschaftsbezogene Kennzeichen. Deshalb trugen Fahrzeuge aus dem Zulassungsbezirk Weinheim ab dem 2. Januar 1973 nach dem HD die Buchstaben TV bis XN und dazu eine dreistellige Zahl. Die „Kennzeichen-Liberalisierung” von 2012 mit der Wahl des Wunsch-Kennzeichens oder der Rückkehr zu inzwischen wieder erlaubten alten Kennzeichen hat diese Verordnung überrollt.

Das alte MA-Kennzeichen durfte man übrigens bis zum letzten Ton des Wagens behalten.