Egenolf von Berckheim versenkte den russischen Panzerkreuzer „Pallada”

von Heinz Keller
Alle Beiträge in diesem Zeitungsarchiv sind erstmals in den Weinheimer Nachrichten erschienen. Die Veröffentlichung auf der Internetseite des Weinheimer Museums erfolgt mit der Zustimmung der DiesbachMedien GmbH.
Nur drei Zeilen umfasste am 13. Oktober 1914 auf der letzten Seite des „Weinheimer Anzeiger” eine Meldung, in der nichts auf eine Verbindung zu Weinheim hindeutete. Der stellvertretende Chef des Admiralstabs der Kaiserlichen Marine, Paul von Behnke, berichtete, dass im Finnischen Meerbusen ein russischer Panzerkreuzer der Bajanklasse von einem deutschen U-Boot zum Sinken gebracht worden war.
Etwas ausführlicher war der anschließende Bericht der amtlichen russischen Telegrafen-Agentur: „Am 11. Oktober, 2 Uhr nachmittags, griffen feindliche Unterseeboote von neuem unsere Kreuzer „Bajab” und „Pallada” an, die in der Ostsee auf Vorposten waren. Obwohl die Kreuzer sofort ein starkes Artilleriefeuer eröffneten, gelang es gleichwohl einem Unterseeboot, gegen die „Pallada” zu schießen. Auf diesen Schuss erfolgte eine Explosion. Der Kreuzer verschwand mit seiner gesamten Besatzung in der Tiefe”.
Der Petersburger Korrespondent der Londoner „Morningpost” berichtete ergänzend, der Panzerkreuzer „Bajan”, der mit der „Pallada” zusammen war, habe genau die gegebenen Anordnungen eingehalten. Er versuchte nicht, der „Pallada” zu Hilfe zu kommen, um nicht auch das Ziel von Torpedos des Unterseebootes zu werden.
Am 14. Oktober 1914 veröffentlichte der „Weinheimer Anzeiger” eine Zeichnung – Fotos gab es damals in kleinen Zeitungen noch nicht –, die „den von einem deutschen Torpedoboot in den Grundgebohrten” russischen Kreuzer „Pallada” zeigte.
U-Boot-Kommandant aus Weinheim
Erst am 19. Oktober 1914 erfuhren die Weinheimer, dass der Untergang eines der modernsten Kriegsschiffe der zaristischen Marin etwas mit Weinheim zu tun hatte: Kommandant von U 26, das den Panzerkreuzer attackiert hatte, war Kapitänleutnant Egenolf Freiherr von Berckheim, ältester Sohn des Grafen Siegmund zu Berckheim, Schlossherr in Weinheim und badischer Gesandter in Berlin.
Wer ist der Baron?
„Baron Egenolf ist 33 Jahre alt und der künftige Majoratsherr. Er ist noch Junggeselle und ein durch seine Kaltblütigkeit, Besonnenheit und seinen vornehmen Charakter bekannter Mann”, berichtete nun der „Weinheimer Anzeiger”. Am 20.Oktober beglückwünschte der Gemeinderat den inzwischen mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichneten Mitbürger. Die Heimatzeitung korrigierte in ihrem Beitrag die Meldung anderer Tages-zeitungen, der Baron sei in Berlin geboren. Tatsächlich sei er im Weinheimer Schloss zur Welt gekommen, als erstes von vier Kindern von Siegmund von Berckheim und seiner Ehefrau Adolfine, geborene Freiin Wambolt von Umstadt, wusste der „Anzeiger”. Egenolf von Berckheim wuchs in Dresden und Berlin auf, wo der Vater als Gesandter das Großherzogtun Baden am sächsischen und am preußischen Hof vertrat und die Mutter als „schönste Frau Berlins” gefeiert wurde, er habe die Benderschule besucht – gemeint war wohl das aus der Vereinigung von Bender‘schem Institut und Höherer Bürgerschule entstandene Realprogymnasium Weinheim, das heutige Werner-Heisenberg-Gymnasium – und später das Gymnasium Bensheim. Aus dieser Zeit stammt wohl diese Anekdote:
Als Egenolf von Berckheim gefragt wurde, ob er glaube, dass er versetzt werde, habe er lächelnd erwidert: „Auch wenn ich nicht versetzt werde, bin ich doch der künftige Majoratsherr”.
Nach dem Abitur zur Marine
Egenolf von von Berckheim trat 1902, nach dem Abitur in Bensheim, in die Kaiserliche Marine ein, als Mitglied der so genannten Crew 4/02, wurde am 22. März 1914 zum Kapitän-leutnant befördert und erhielt am 1. August 1914 das Kommando über das U-Boot 26, ein Diesel-elektrisches so genanntes Zweihüllen-Hochsee-Boot, das am 16. Oktober 1913 auf der Kieler Germaniawerft vom Stapel gelaufen und am 20. Mai 1914 in Dienst gestellt worden war.
Einsatz in der Ostsee

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde U 26 in der Ostsee gegen die russische Marine eingesetzt. Dort nahm es, neben anderen zur Sicherung der deutschen Seestreitkräfte eingesetzten U-Boote, im August 1914 an einem Vorstoß in die Rigaer Bucht teil.
Wenige Wochen später gelang es von Berckheim, den russischen Panzerkreuzer „Pallada” am Eingang zum Finnischen Meerbusen zu torpedieren. Dabei explodierten Munitionskammern auf dem Kreuzer, der innerhalb weniger Minuten mit der gesamten Besatzung von 597 Seeleuten sank. Der Panzerkreuzer hatte nicht mit einem U-Boot gerechnet, als er zu einem Gefecht mit den deutschen Kreuzern „Amazone”, „Lübeck” und „Augsburg” auslief. Die „Pallada” war der erste Totalverlusteines Kriegsschiffes der zaristischen Marine im Ersten Weltkrieg.
Kapitänleutnant von Berckheim und sein U 26 versenkten auf 15 Feindfahrten drei Handelsschiffe mit zusammen 3.700 Brutto-registertonnen Ladung, den Minenleger „Jenissei” und ein Minensuchboot.
Die letzte Feindfahrt
Am 11. August 1915 lief die U 26 von Libau, dem heutigen Liepaja im Westen Lettlands, zu einer Feindfahrt im Finnischen Meerbusen aus. Davon kehrte das Schiff nicht zurück. Wahrscheinlich lief es am 31. August – anderen Quellen zufolge am 4. September 1915 – auf eine russische Mine und sank mit vier Offizieren und 26 Mann Besatzung. Sie alle wurden am 5. Juni 1917 vom Königlichen Amtsgericht Kiel für tot erklärt.
Wrack nach 100 Jahren entdeckt

Das gut erhaltene Wrack von U 26 wurde im Mai 2014 von einer Gruppe des finnischen Taucherteams „Badewanne” – eine in 2. Weltkrieg gebräuchliche Bezeichnung für den Finnischen Meerbusen – bei der Insel Russarö entdeckt. Die Tageszeitung „Die Welt” berichtete am 8. Juni 2014:
„Taucher haben im Golf von Finnland das Wrack eines deutschen U-Boots entdeckt, Seit 1915 galt es als verschollen. Das Wrack konnte als SM U 26 identifiziert werden. Es war das letzte Modell des Typen UA. Die kaiserliche Marine setzte es im 1. Weltkrieg gegen Russland ein. Das Wrack ist erstaunlich gut erhalten. Es gilt als das besterhaltene deutsche U-Boot aus dem 1. Weltkrieg, obwohl es seit 100 Jahren auf dem Grund des Meeres liegt. Ein großer Teil des Rumpfes und der Kommandoturm lagen noch über dem Schlamm”.
Nahe der „Pallada”
Ironie der Geschichte: Die Fundstelle von U 26 liegt nicht weit entfernt von der Stelle im Finnischen Meerbusen, an der am 11. Oktober 1914 der Panzerkreuzer „Pallada”, das prominenteste Opfer von U 26, gesunken ist.
An Egenolf Freiherr von Berckheim erinnert vor einer leeren Grabkammer im Mausoleum der gräflichen Familie im Weinheimer Schlosspark eine Marmorplatte. Der adlige Marineoffizier galt als eines der ersten „Asse” auf der neuen U-Boot-Generation. Am 6. Juni 1815 wurde er mit dem Ritterkreuz des Hausordens der Hohenzollern ausgezeichnet. Die Auszeichnung galt als Stufe zwischen de m Eisernen Kreuz 1. Klasse und dem Orden „Pour le Mérite”, der höchsten Tapferkeitsauszeichnung, die
ein König von Preußen an einen Offizier vergeben konnte.
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