Der lange Weg vom Weschnitzbad zum Strandbad

Weinheims Freibadgeschichte wurde 1850 im Bender’schen Institut gestartet

Schwimmen  in der vor der Petersbrücke
Dieser Anlass ist unbekannt, aber das Baden, sogar das Schwimmen in der vor der Petersbrücke aufgestauten Weschnitz sorgte stets für großes Teilnehmer- und Zuschauerinteresse. (Bild: WN-Archiv)

von Heinz Keller

Zu allen Zeiten suchten die Menschen in heißen Tagen Abkühlung in den Flüssen, Seen und Bächen. Auch in der Weschnitz, auch in Weinheim. Sie stauten die Wässer und errichteten Badeanstalten, die sich langsam zu Schwimmbädern entwickelten. Die Weinheimer Freibadgeschichte begann am 30. April 1850 mit einem Schreiben der Brüder Heinrich und Carl Bender „an das Großherzogliche Bürgermeisteramt Weinheim bezüglich der Errichtung einer Schwimmschule”. Die Schulleiter des von Carl Bender 1829 gegründeten Bender’schen Knabeninstituts baten um die Erlaubnis, „unterhalb der neuen Brücke vor der Trennung der Weschnitz in die zwey Dämme“ eine Schwimmschule errichten zu dürfen. Die Benders wollten auch wissen, „wie hoch sie eine Schwellung der Weschnitz machen können, ohne dass dadurch die Rechte und das Interesse Anderer benachteiligt werden” und sie baten schließlich „um Ertheilung der Befugnis, diese Schwimmschule für die Zöglinge des Instituts und für Andere nach einer Aufstellung von Preisen zu öffnen”. Die Schwimmschul-Ordnung sollte der von Mannheim angepasst werden.

Bürgermeister Friedrich Weisbrod entsprach dem Wunsch der Brüder Bender und lobte, dass „auch das Publikum die Badeanstalt benutzen kann” .

Bad in der Weschnitz

Die erste Weinheimer Badeanstalt befand sich also in der Weschnitz zwischen der Steinernen Brücke beim gerade erst eröffneten Hotel „Pfälzer Hof” (heute Stadthalle) und der Halbinsel vor der Zwillingsbrücke, an der sich der Fluss in die Alte und die Neue Weschnitz teilt. Ein Holzsteg führte zu dem an beiden Abflüssen aufgestauten Wasser der Badeanstalt, in der die Benderschüler das Schwimmen lernten. Am Jahresende 1860 schrieb Heinrich Bender begeistert in den Jahresbericht des Instituts: „Ein langgehegter Wunsch ist uns erfüllt worden: durch die Errichtung einer Bade- und Schwimmanstalt in unserer Weschnitz ist unseren Zöglingen eine wesentliche Ergänzung ihrer physischen Erziehung, ihnen und uns eine wahre Wohltat geworden, deren Mitgenuß wir auch noch anderen Bewohnern hiesiger Stadt ermöglicht haben”.

Die Badefreuden im sicherlich nicht sehr tiefen Stau vor der Zwillingsbrücke währten indes nicht lange. Das Pfingst-Hochwasser 1859 riss die einfachen Elemente der Bender’schen Schwimmschule mit sich und zerstörte die Anlage. Die Benders wollten „an der sonst so gut gelegenen Stelle“ eine neue Anstalt errichten, dieser Plan wurde aber „durch andere Verhältnisse unmöglich gemacht”. Im Jahresbericht 1862 berichtete Heinrich Bender von lange vergeblichen Bemühungen, „unseren Knaben die Wohltat des Badens” wiederzugeben, ehe man in Kontakt kam mit dem Müller Kinscherf aus Birkenau. Er war der Besitzer der heutigen Carlebach-Mühle am östlichen, schon hessischen Ende des Sechs-Mühlen-Tals. Als Abgeordneter der Zweiten Hessischen Kammer hatte er großen politischen Einfluss und sorgte wohl dafür, dass das Großherzoglich Hessische Kreisamt Lindenfels dem Bender’schen Institut erlaubte, „in der Wäschnitz eine Bad-Anstalt von 50 (Fuß) Breite und 100 (Fuß) Länge zu errichten“. Im Jahresbericht 1863 stellte Heinrich Bender zufrieden fest: „Unsere neue Badeanstalt im Birkenauer Thal ist uns vollkommen geglückt und die Quelle Kallenbach ist uns eine Wohltäterin geworden, welcher selbst unsere Kleinsten die herrliche Schwimmkunst verdanken”.

Das Karlebächlein, das Bender meinte und das der Mühle ihren heutigen Namen gegeben hat, kommt als Rinnsal von der Nordseite der Birkenauertalstraße (TuS-Platz) und markiert streckenweise den badisch-hessischen Grenzverlauf. Im Zusammenhang mit dem Bau des „Horst-Wessel-Bades” für den SA-Sturmbann 171 kehrt das Bächlein 1934 noch einmal in die Weinheimer Stadtgeschichte zurück.

Eine Bürgerinitiative

Das Weschnitzbad bei der Oberen Hildebrand’schen Mühle.
Das Weschnitzbad bei der Oberen Hildebrand’schen Mühle. Der Plan zeigt oben die Birkenauertalstraße mit der Lohbrücke zum Porphyrwerk. Das Bad wurde am Mühlenkanal errichtet (schwarze Schraffur). Plan: Stadtarchiv Weinheim Gemarkungsplan Nr. 39, um 1890.

Im Weschnitzwasser badeten allerdings nicht nur Schüler der Bender’schen Anstalt, sondern ab 1885 auch Bürger und Gäste der Stadt. Nachdem das Baden in der Weschnitz in Weinheim zunehmend als öffentliches Ärgernis empfunden und schließlich zwischen Hildebrandmühle und Zwillingsbrücke völlig verboten worden war, wurde der Ruf nach einer städtischen Badeanstalt in den 1880er Jahren immer stärker. Als gar das Bezirksamt die Stadtverwaltung darauf hinwies, dass „von zahlreichen Kreisen und auch von den im Sommer hier weilenden Fremden” der Mangel an öffentlichen Badeplätzen „als misslich empfunden” werde, nahm das Thema Weschnitzbad Fahrt auf. Um die Fabrikanten Carl Freudenberg und Georg Hildebrand scharten sich engagierte Bürger in einem Bürgericomité, das Anteilscheine von zehn Mark verkaufte und damit das Startkapital von 2.500 Mark zusammenbrachte, mit dem die erste öffentliche Badeanstalt Weinheims geschaffen und 1885 eröffnet werden konnte. Kommerzienrat Hildebrand hatte dafür Gelände bei seiner Obermühle (heute Micasa) bereitgestellt, das eine Fläche zum Sonnenbaden einschloss, die Stadt errichtete ein hölzernes Badhaus als Umkleidemöglichkeit und eine Holzwand als Schutz der Badenden vor neugierigen Blicken von der Birkenauertalstraße.

Die neue Bademöglichkeit mit streng getrennten Badezeiten für Frauen, Männer und Schüler darf man sich als Flussbad an der Lohbrücke vorstellen, die von der Birkenauertalstraße zum Porphyrwerk abgeht und unter alten Weinheimern noch als „Badbrick“ bekannt ist. Alljährlich im Frühjahr musste die Weschnitz im Badebereich ausgebaggert und von dem hier abgelagerten Steingeröll befreit werden.

Baden am „Schwarzen Adler”?

Streng geregelte Geschlechtertrennung im Freibad: Angaben, an welchen Tagen Frauen und an welchen Männer baden dürfen.
Streng geregelte Geschlechtertrennung im Freibad.

So ganz zufrieden scheint man mit der Bademöglichkeit im Birkenauer Tal aber nicht gewesen zu sein, denn neben der Gefährdung durch Hochwasser erwies sich das „Weschnitzbad“ auch bald als zu klein. Zudem beförderte der wachsende Fremdenverkehr Überlegungen, das Bad zu vergrößern oder ein neues zu bauen. Die Erweiterung scheiterte an den Felsen im Weschnitzbett, die zuvor weggeräumt werden mussten, für einen Neubau suchte man in den beginnenden 1920er Jahren Standorte. Die Vorschläge reichten vom Kriegsküchengarten beim Schlachthof über die Bismarckanlage auf der Ostseite der Steinernen Brücke bis zum Garten der Wäscherei Deuring im Müll und auch die Turngenossenschaft „Jahn” 1878 hegte auf ihrem Gelände im Prankel Badbaupläne. Diskutabel aber blieb letztlich nur die Empfehlung von Stadtbaumeister Eberhardt, eine neue Flussbadeanstalt in der Nähe des „Schwarzen Adler“ an der Eisernen Brücke zu planen. 1922 gab es einen Kostenvoranschlag von 50.000 Mark für ein Bad in der Mittelwasserrinne der Weschnitz zwischen der Unteren Hildebrandmühle und der Mündung des Grundelbachs. In den Inflationsjahren scheint das Weschnitzbad außer Betrieb gewesen zu sein, 1926 wurde an der Obermühle wieder ausgebaggert und das Bad bei der Lohbrücke öffnete wieder, ehe der Gemeinderat 1928 seine endgültige Schließung beschloss. Der Abbruch der Einbauten erfolgte 1929, das Abbruchmaterial wurde dem Freien Sportkartell zum Auffüllen des neuen Sportplatzes in der Schindkaut zur Verfügung gestellt.

Zu Beginn der 1930er Jahre und nach dem Scheitern der Flussbadpläne bei der Warthorst’schen Mühle wurde der Abschnitt bei der Peterskirche wieder aktuell. Gegen eine Dauerlösung mit Umkleidegebäuden an der Mühlwegmauer und einer Liegewiese vor der Peterskirche aber wandte sich Pfarrer Schühle und die Weinheimer Frauenvereine stimmten ihm zu, dass sich Freibad und Kirche als Nachbarn ausschließen, zumal die Toilettenfrage darauf reduziert worden war, dass man mit dem Wirt des Gasthauses „Zum Weschnitztasl” über die Mitbenutzung seiner Toiletten verhandeln sollte.

Am 13. Februar 1933 beschloss der Gemeinderat mit 5:2 Stimmen, auf die Errichtung eines Freibads in der Weschnitz zu verzichten, anerkannte aber die Notwendigkeit eines Schwimmbadbaues, der 1934 dann auf dem Gelände des inzwischen verbotenen Freien Sportkartells, dem heutigen TuS-Platz, als „Horst-Wessel-Bad“ entstand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Bad zugeschüttet, das am Karlebächlein immer mit Wasserproblemen zu kämpfen hatte.

1966 gab es noch einmal sechs Standortvorschläge des Tiefbauamtes für ein Freibad in der Nähe des Stadions oder zwischen Kuhweidesiedlung und Schnellweg, aber erst die Eröffnung des Strandbades am Waidsee 1972 erfüllte das Versprechen eines städtischen Freibads. (2020)

Bild des der Weinheimer SA übergebene „Horst-Wessel-Bads“ an der badisch-hessischen Grenze im Birkenauer Tal.
Das der Weinheimer SA übergebene „Horst-Wessel-Bad“ in der Schindkaut an der badisch-hessischen Grenze im Birkenauer Tal. Es verfügte über 1.800 qm Wasserfläche, eine Liegewiese und ein vorgelagertes Sportfeld, den „Horst-Wessel-Platz“. (Bild: WN-Archiv)

Zu Beginn der 1930er Jahre und nach dem Scheitern der Flussbadpläne bei der Warthorst’schen Mühle wurde der Abschnitt bei der Peterskirche wieder aktuell. Gegen eine Dauerlösung mit Umkleidegebäuden an der Mühlwegmauer und einer Liegewiese vor der Peterskirche aber wandte sich Pfarrer Schühle und die Weinheimer Frauenvereine stimmten ihm zu, dass sich Freibad und Kirche als Nachbarn ausschließen, zumal die Toilettenfrage darauf reduziert worden war, dass man mit dem Wirt des Gasthauses „Zum Weschnitztasl” über die Mitbenutzung seiner Toiletten verhandeln sollte.

Am 13. Februar 1933 beschloss der Gemeinderat mit 5:2 Stimmen, auf die Errichtung eines Freibads in der Weschnitz zu verzichten, anerkannte aber die Notwendigkeit eines Schwimmbadbaues, der 1934 dann auf dem Gelände des inzwischen verbotenen Freien Sportkartells, dem heutigen TuS-Platz, als „Horst-Wessel-Bad“ entstand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Bad zugeschüttet, das am Karlebächlein immer mit Wasserproblemen zu kämpfen hatte.

1966 gab es noch einmal sechs Standortvorschläge des Tiefbauamtes für ein Freibad in der Nähe des Stadions oder zwischen Kuhweidesiedlung und Schnellweg, aber erst die Eröffnung des Strandbades am Waidsee 1972 erfüllte das Versprechen eines städtischen Freibads. (2020)