Gewerbeschule: „Bollwerk für Fortbildung des Handwerks”

Die alte Gewerbeschule an der Ecke Bahnhof-straße/Schulstraße.
In der Karwoche 1911 wurde die Gewerbeschule Ecke Bahnhof-straße/Schulstraße eingeweiht. Im Rundbau war die Sammlung des Altertumsvereins untergebracht, im Erdgeschoss ein Büchereizimmer und ein Lesesaal für die Volksbücherei. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

von Heinz Keller

In der Karwoche 1911 wurde an der Ecke Bahnhofstraße/Schulstraße der Neubau für die Gewerbeschule, das Gebäude der heutigen Uhlandschule, eingeweiht. Er war nach Diesterwegschule (Bauzeit 1890/91, heute Stadtbibliothek), Realgymnasium (Bauzeit 1900/01, heute Werner-Heisenberg-Gymnasium) und Pestalozzischule (Bauzeit 1904/05) der vierte Schulhausbau in der Amtszeit von Bürgermeister Heinrich Ehret, an den heute die Ehretstraße erinnert. Mit dem Neubau der Nordschule (heute Friedrichschule) wurde 1916 ein ehrgeiziges Schulhaus-Bauprogramm abgeschlossen, das Weinheim den Ruf einer Schulstadt einbrachte.

Öffentliche Unterrichtsprobe

Die Einweihungsfeier erfuhr einen ungewöhnlichen Auftakt mit öffentlichen Unterrichtsproben in den Fächern Geometrie, Wirtschaftslehre, Mechanik, Rechnen, aber auch Wechsel- und Scheckverkehr, denn der Gewerbeschule war eine Handelsschulabteilung angeschlossen.

Nach den Unterrichtsproben erläuterte Rektor Jakob Feuerstein die wechselvolle Geschichte der Gewerbeschule, die er bis ins Jahr 1839 zurückführte, als 22 Weinheimer Handwerksmeister beim „großherzoglichen, wohllöblichen Stadtrath“ die Errichtung einer Gewerbeschule „mit Unterricht am Abend und an Sonntagen nach der Kirche“ beantragten. Am 1. Dezember 1842 wurde diese Gewerbeschule eingerichtet, am 22. April 1843 begann der Unterricht mit 116 Schülern im damals einzigen Volksschulgebäude, der 1972 abgerissenen Dürreschule.

Es war wohl ein recht holpriger Start für die neue Schulform, für die Heinrich Bender, der Gründer der Bender’schen Erziehungsanstalt für Knaben, einen provisorischen Lehrplan erarbeitet hatte. Man stritt sich bald um die Kosten der Schule, die eigentlich die Zünfte und die Eltern der Schüler tragen sollten. Aber weil bei deren schlechter Zahlungsmoral die Stadtkasse immer mehr zuschießen musste, beschloss der Gemeinderat 1851 die Schließung der Schule. Begründung: „Die Opfer der Stadtkasse sind nicht mehr tragbar“.

Neustart mit Raumnot

1859 erfolgte ein Neustart, der diesmal finanziell besser abgesichert war, aber unter Raumnot litt. Der Unterricht musste in Wirtschaften, Werkstätten und Fabrikräumen stattfinden, weil keine städtischen Schulräume frei waren.

Die Raumprobleme blieben freilich auch, als die Gewerbeschule 1891 im Neubau des Schulhauses II, der späteren Diesterwegschule, und 1905 im Neubau des Schulhauses III, der späteren Pestalozzischule, eigene Unterrichtsräume erhielt, denn mit der Entwicklung Weinheims wuchsen auch die Schülerzahlen der Volksschule und der Gewerbe-/Handelsschule. Abhilfe versprach nur ein Neubau für die Gewerbeschule.

Der Neubau der Gewerbeschule an der Wormser Straße.
Der Karlsruher Architekt Günter Seemann schuf ab 1956 den Neubau an der Wormser Straße. Landrat Dr. Valentin Gaa übergab die neue Schule im März 1959 ihrer Bestimmung als „Lehr- und Ausbildungsstätte für Generationen“ (WN).

Freudenberg-Starthilfe

Für den Neubau schuf Friedrich Carl Freudenberg, ältester Sohn des Firmengründers Carl Johann Freudenberg und Mitglied im Bürgerausschuss, die Voraussetzungen, als er 1908 der Stadt 20.000 Goldmark spendete. Damit sollte das Eckgrundstück Bahnhofstraße/Schulstraße von Gastwirt und Konditor Philipp Krautinger erworben und mit einem Schulhaus bebaut werden, in dem neben den Schulsälen „ein Raum für die Altertumssammlung und bis 10 Uhr abends ein erleuchteter und erwärmter Lesesaal nebst Büchereizimmer für die Volksbücherei herzustellen“ seien – die Grundlagen für Museum und Stadtbibliothek.

Ein Jahr später genehmigte der Bürgerausschuss den Bau der neuen Gewerbeschule nach den Plänen des aus einem Wettbewerb als Gewinner hervorgegangenen Weinheimer Baumeisters Georg Hopp (Kosten: 156.000 Mark), vertagte aber die Entscheidung über den an der Luisenstraße parallel dazu geplanten Neubau der Höheren Töchterschule. Am 11. April 1911 wurde das unter der Bauleitung von Stadtbaumeister Adam Eberhardt entstandene neue Gewerbeschulgebäude eingeweiht. Der „Weinheimer Anzeiger“ berichtete über die Einweihungsfeier zweimal ganzseitig und mit der Überschrift „Die Gewerbeschule Weinheim – ein Bollwerk für die Fortbildung des Handwerks“. 1913 änderte die Schule ihren Namen: aus der „Gewerbeschule mit Handelsabteilung“ wurde die „Gewerbe- und Handelsschule“. 1922 beschloss der Gemeinderat die Trennung von Gewerbe- und Handelsschule.

Wechselvolle Hausgeschichte

Wechselvoll war auch die weitere Geschichte des Gebäudes, das am Ende des Ersten Weltkriegs als Unterkunft für durchziehende Truppen diente und nach dem Zweiten Weltkrieg die in Mannheim ausgebombte Landkreis-Verwaltung aufnahm. Erst 1950 konnte die Gewerbeschule ihr Schulhaus an der Bahnhofstraße wieder beziehen, platzte dort aber bald aus allen Nähten und erhielt vom Landkreis Mannheim, der 1939 die Schulträgerschaft übernommen hatte, 1959 den Neubau an der Wormser Straße.

1960 Uhlandschule

Das alte Gewerbeschulgebäude an der Bahnhofstraße wurde weiter schulisch genutzt. Es nahm im Obergeschoss die so genannte Hilfsschule auf. Ebenerdig entstanden längs der Bahnhofstraße Einzelhandelsgeschäfte.

1960 gab der Gemeinderat dem inzwischen wieder städtischen Gebäude den Namen Uhlandschule. Heute hat der 1948 gegründete Stadtjugendring hier seinen Sitz und seit 1985ist das Café Central als Live-Musik-Club nach Meinung des Südwest-Rundfunks (SWR) „ein Rockschuppen mit alternativem Charme in einem ehemaligen Schulgebäude“.

Fast gescheitert

Die Gewerbeschule wird zur Uhlandschule. Ein Gebäude mit mit Einzelhandelsgeschäften.
Neuer Anblick, neuer Name: Uhlandschule mit Einzelhandelsgeschäften. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

Fast wäre das großzügig unterstützte Projekt Gewerbeschulneubau 1908 gescheitert, weil die entscheidende Debatte im Bürgerausschuss von den Nachwehen der vorangegangenen Kommunalwahlen überschattet wurde. Dabei war es zu einer heftigen Auseinandersetzung über die städtische Bodenpolitik gekommen, die einigen Sprechern zu eng mit den Interessen der Firma Freudenberg verbunden schien. Ablehnen wollte freilich niemand die Freudenberg-Spende, doch wichtiger als ein Neubau für die Gewerbeschule erschien den Vertretern des Bürgervereins ein neues Volksschulgebäude in der Nordstadt.

Noch eine Spende

Als dann auch Gemeinderast Hermann Ernst Freudenberg 20.000 Mark spendete, um damit den Kauf eines Bauplatzes für einen Volksschul-Neubau in der Nordstadt zu ermöglichen, und sein Bruder Friedrich Carl sich bereiterklärte, auch die Kosten für die Einrichtung einer Lesehalle zu übernehmen, änderte sich die Stimmung und der Bürgerausschuss stimmte mehrheitlich für den Geländeankauf an der Ecke Bahnhofstraße/Schulstraße. (2011)