Blick zurück: Die Jugendherbergsidee lebt seit 1923

Der heutigen Pestalozzischule. Hier wurde 1926 Weinheims erste Jugendherberge eröffnet – nur für Mädchen.
Im Schulhaus III, der heutigen Pestalozzischule, wurde 1926 Weinheims erste Jugendherberge eröffnet – nur für Mädchen. Im Untergeschoss wurden bescheidene Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen. Links die alte Turnhalle. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

Seit fast 100 Jahren ein lokales Thema

Weinheim. „Das Vaterland braucht ein gesundes Geschlecht“ ist eines der ersten Dokumente überschrieben, die im Stadtarchiv über die Geschichte des Jugendherbergswesens in Weinheim gesammelt sind. Es sind Zeitschriften unterschiedlicher Herausgeber, die nach dem Ersten Weltkrieg für die Begegnung des Menschen mit der Natur beim Wandern warben. In der „Dorflinde“, seiner Verbandszeitung, warb der Odenwaldklub für die Bereitstellung von Räumen, in denen Wandernde übernachten konnten. Richard Schirrmanns Jugendherbergsidee, 1912 in der ersten Ferien-Herberge und 1914 auf Burg Altenau im Sauerland in der ersten ständigen Jugendherberge verwirklicht, breitete sich nach dem Ersten Weltkrieg rasant aus.

In Weinheim regten die Deutsche Demokratische Jugend und der Odenwaldklub an, zur Werbung für das Wandern einen Raum im Gebäude der Friedrichschule umzugestalten. Daraus wurde nichts. Dennoch unterstützte das Weinheimer Volksschulrektorat den Jugendherbergs-Gedanken und 1923 beschloss der Gemeinderat, im Untergeschoss des Schulhauses III, der heutigen Pestalozzischule, einen Raum zur Einrichtung einer Unterkunft für weibliche Jugendliche zur Verfügung zu stellen.

Im Kellergeschoss der Pestalozzischule, mit ebenerdigem Ausgang zur Schulstraße, hatte allerdings noch das Arbeitsamt Weinheim seine Diensträume und erst als sie 1926 ins (Alte) Rathaus verlegt wurden, konnte die erste Weinheimer Jugendherberge entstehen: in drei Räumen, „zur Schulstraße hin“, wie es in der Ratsakte heißt, und nur für Mädchen. Sie war bescheiden ausgestattet mit Strohsäcken, später Seegrasmatratzen, und Waschschüsseln. Trotzdem verzeichnete Herbergswart Wilhelm Schleeweis fast 1.000 Besucherinnen im ersten Jahr.

Doch bald wurde über die Ausstattung geklagt und die Schaffung einer neuen Jugendherberge wurde zum kommunalpolitischen Dauerbrenner, angefeuert von dem neuen Bürgermeister Dr. Reinhold Bezler. Nach der Streichung Weinheims aus dem Herbergsverzeichnis im Frühjahr 1939 richteten sich die Überlegungen auf das zum Jahresende 1938 von der Stadt erworbene Berckheim-Schloss. Im ehemaligen gräflichen Marstall (heute Tiefbauamt) sollte die neue Jugendherberge auf beiden Geschossen entstehen. 30.000 RM wurden für die Umbauarbeiten, 15.000 RM für die Einrichtung geplant.

Geplante Jugendherberge (Einmündung der Rosenbrunnenstraße in die Prankelstraße)
In diesem noch unvollendeten Haus an der Ecke Rosenbrunnenstraße/Prankelstraße sollte die neue Jugendherberge entstehen. Die Einstellung nicht kriegswichtiger Projekte beendete die Pläne im August 1940. Foto vor dem Abbruch. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

In diesem damals noch unvollendeten Haus an der Einmündung der Rosenbrunnenstraße in die Prankelstraße sollte die neue Weinheimer Jugendherberge entstehen. Die Einstellung aller nicht kriegswichtigen Projekte machte im August 1940 allen Plänen ein Ende.

Doch die Umbaupläne im Weinheimer Schloss mussten schnell hinter den Materialansprüchen des Westwallbaues zurückstehen. Der Ausweg hieß im Sommer 1939 „Haus der wandernden Jugend“. In dem zum Abriss bestimmten ehemaligen Lehrerwohnhaus am Dürreplatz entstand auf drei Geschossen eine provisorische Jugendherberge mit 35 Feldbetten.

Im August 1939, drei Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, wurde das Jugendherbergsthema noch einmal aktuell, als sich die Umbaukosten verdoppelten und Befürchtungen laut wurden, dass eine (laute) Jugendherberge im Schloss störend wirken könnte auf die Besucher von Schlosskaffee und Schlosspark.

Nun hieß es plötzlich: „Die Jugendherberge wird im Prankel erstellt“. Auf der Suche nach einem neuen Herbergs-Standort waren Bürgermeister und Ratsherren auf den Rohbau einer an der Ecke Rosenbrunnenstraße/Prankelstraße geplanten Gaststätte gestoßen, den Gottfried Sommer aus finanziellen Gründen nicht fertig stellen konnte. Die Stadt kaufte das halbfertige Gebäude und wollte es als Jugendherberge fertig stellen: nahe der Reichsstraße 3 und der OEG-Linie Weinheim-Heidelberg, auf deren Elektrifizierung damals in den Bergstraßengemeinden gedrängt wurde.

Im August 1940 machte die Stilllegung aller nicht kriegswichtigen Bauten allen Jugendherbergsplänen ein Ende – bis 1949, als auf dem Judenbuckel eine neue Jugendherberge gebaut und eröffnet wurde.