Mutiger Unternehmer in unruhiger Zeit

Abbildung: Carl Johann Freudenberg 1862, Unternehmensarchiv Freudenberg

Heute vor 200 Jahren wurde Carl Johann Freudenberg geboren

von Heinz Keller

Weinheim. Am 27. Februar 1894 überreichte Bürgermeister Heinrich Ehret die erste Weinheimer Ehrenbürger-Urkunde an Carl Johann Freudenberg. In einem verschnörkelten Ehrendiplom begründete der Gemeinderat die Verleihung der höchsten Auszeichnung, die die Stadt zu vergeben hat, mit den „großen Verdiensten um die Industrie und die Hebung der Stadt Weinheim“ durch den Gründer der heutigen Freudenberg-Gruppe. In Hachenburg im Westerwald, damals Residenz der Grafen von Sayn, war Freudenberg am 9. Mai 1819, heute vor 200 Jahren, in der Gastwirtschaft „Zum Goldenen Löwen“ geboren worden. Ein Anlass, sich seiner zu erinnern und auch in die Zeit zurückzublicken, in der er am 9. Februar 1849 das heute weltweit tätige Unternehmen gründete.

Als Zehnjähriger verlor Carl Johann Freudenberg 1829 den 43-jährigen Vater, im gleichen Jahr übrigens, als das Mannheimer Handelshaus Heintze & Sammet in einer der still liegenden Gerbereien im Weinheimer Vorort Müll die Fabrikation von Leder aufnahm. Johann Baptist Sammet, ein angesehener Lederkaufmann, war Freudenbergs Onkel und bei ihm begann der Vierzehnjährige 1833 seine Ausbildung im Lederhandel. 1844 trat Carl Johann Freudenberg als stiller Teilhaber in das Geschäft des Onkels ein und erwarb 20 % der Anteile an der Firma Heintze & Sammet. Im gleichen Jahr heiratete er Sophie Martenstein, eine vermögende Kaufmannstochter aus Worms. Das Ehepaar bekam acht Kinder, die zwischen 1845 und 1863 geboren wurden. Der 50. Hochzeitstag am 27. Februar 1894 war der Anlass für die Ernennung des Geheimen Kommerzienrates Carl Johann Freudenberg zum ersten Ehrenbürger Weinheims, das seit 1849 auch die Heimat der Familie war: zunächst im Haus Obertorstraße 1, das mit seinem Fürstenzimmer zu Weinheims baulichen Schätzen gehört, dann im „Schlösschen“ im heutigen kleinen Schlosshof und schließlich in der eigenen Villa am so genannten „Prankeleck“ bei der Einmündung der Prankelstraße in die Lützelsachsener Straße.

Das Jahr 1849 war ein ereignisreiches Jahr in Deutschland, das als Nationalstaat noch nicht bestand, sondern in viele kleine Territorien zersplittert war. In Baden herrschte Revolution. In diesen unsicheren Zeiten beteiligte sich der 29jährige Carl Johann Freudenberg an der Gründung der Firma Heintze & Freudenberg, die 1874 in seinen alleinigen Besitz überging und in Carl Freudenberg umbenannt wurde. Damals gab es allein in Deutschland mehr als 10.000 Leder produzierende Betriebe. Um sich aus dieser Masse herauszuheben, stand für Carl Johann Freudenberg die Produktqualität von Anfang an im Fokus seiner unternehmerischen Tätigkeit. „Dieser Qualitätsgedanke ist bis heute Teil der Unternehmensphilosophie geblieben“, sagte Dr. Michael Horchler, Leiter des Unternehmensarchivs Freudenberg, im Gespräch mit den WN. Carl Johann Freudenbergs Aufgeschlossenheit für neue Ideen habe es ihm nicht nur ermöglicht, das junge Unternehmen durch die von politischer Unruhe geprägte Gründungsphase zu steuern, sondern auch dessen Innovationsfähigkeit zu begründen. Diese Fähigkeit zum Wandel, so Dr. Horchler weiter, präge als wesentlicher Erfolgsfaktor seit 170 Jahren das Unternehmen – sozusagen als Herzschlag des Firmengründers, der seinen Söhnen 1887 einen darauf gründenden Leitfaden für eine erfolgreiche Unternehmensführung formuliert habe. Danach ist der Unternehmer erfolgreich, der „sich von den obwaltenden Verhältnissen bestimmen, respektive tragen lässt, und sich bemüht, aus jeder Lage das Beste zu machen“. Dabei stützte sich das unternehmerische Handeln Carl Johann Freudenberg ganz wesentlich auf das Vertrauen gegenüber seinen Mitarbeitern.

Carl Johann Freudenberg schuf die Grundlage für den heutigen Erfolg des Unternehmens. Als er am 6. August 1898 in Weinheim starb, war die Belegschaft von 50 Mitarbeitern im Gründungsjahr auf 1.203 angewachsen und der Umsatz hatte sich gegenüber 1849 versechzigfacht. Heute hat die Unternehmensgruppe Freudenberg mehr als 49.000 Mitarbeiter in 60 Ländern und erwirtschaftet jährlich einen Umsatz von 9,4 Milliarden Euro.

Weinheimer Ehrenbürger wurden nach Carl Johann Freudenberg auch sein Sohn Hermann Ernst, seine Enkel Richard und Hans und sein Urenkel Dieter Freudenberg.