Frau Nachbarin, habt Ihr schon gebleicht?

Drei Rasenbleichen gab es einst in Weinheim

Die Tuchbleiche beim ersten Krankenhaus: die Wäsche flattert auf der Leine.
Die Tuchbleiche beim ersten Krankenhaus: die Wäsche flattert auf der Leine. Bild: Stadtarchiv Weinheim.

von Heinz Keller

Die Burgen, die ersten Häuser am Schlossberg und das Krankenhausareal scheinen in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ein beliebtes Fotografen-Motiv für Postkarten aus Weinheim gewesen zu sein. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Ansichten von diesem Stadtgebiet und auf einer flattert Wäsche im Wind. Die Aufnahme erinnert an die einstige Tuchbleiche rund um das Volksbad, das auf diesem Foto allerdings von Bäumen verdeckt ist.

Zu allen Zeiten musste schmutzige Wäsche gewaschen werden, aber lange war das Wäschewaschen die kraft- und zeitaufwendigste Arbeit für die Hausfrau, denn bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gab es in den meisten Haushalten noch keine mechanischen Hilfsmittel. Zum Waschen nutzte man meist ein Waschbrett, über dessen wellenförmige Rippel das schmutzige Kleidungsstück so lange gerieben wurde, bis sich die Verschmutzungen lösten. Danach wurde die Wäsche ausgewrungen oder durch die Wäschemangel gedreht. Heute kennt man das Waschbrett eher als Rhythmusinstrument – oder als Adjektiv für den Waschbrettbauch.

Tagelange Plackerei

Waschen war in den vergangenen Jahrhunderten eine tagelange Plackerei, ganz im Gegensatz zu heute, wo ein Knopfdruck genügt, um die Arbeitsschritte der Waschmaschine bis zum Endprodukt „weiße Wäsche“ zu starten. Einst wurde aus gutem Grund nur alle paar Wochen oder Monate ein Waschtag eingelegt. Nach dem Einweichen und dem Brühen in der Lauge stand das anstrengende Treten, Schlagen, Kneten, Reiben – etwa ab 1850 auf dem Waschbrett – und Wringen auf dem Programm, ehe die Wäschestücke auf der Bleiche landeten. Hier erhielten sie jenen natürlichen Duft von Frische, der tatsächlich noch der Natur zu verdanken war. Der ganze Waschvorgang konnte durchaus mehrere Tage dauern – ein Kraftakt, den uns heute die Waschmaschine und zahlreiche chemische Hilfsmittel abnehmen. Die erste vollautomatische Waschmaschine für den privaten Haushalt kam in Deutschland übrigens 1951 auf den Markt, aber erst in den 1960-er Jahren wurde sie erschwinglich.

Drei Bleichplätze

Als Luft und Wasser noch rein waren, gab es an Bach- und Flussufern so genannte Bleichen, auch in Weinheim. Die Frauen und Mädchen im Müll hatten, so hat es Philipp Pflaesterer berichtet, ihre Bleiche längs des Grundelbachs an der heutigen Zimmerbachstraße. Die Hintergässer Frauen bleichten ihre Wäschestücke auf dem Uferland der Weschnitz und die Frauen aus der Neustadt, der heutigen Innenstadt, benutzten die Tuchbleiche vor dem evangelischen Spital, dem späteren Städtischen Krankenhaus. Die Tuchbleiche, auf der vor allem Leinwand gebleicht wurde, ist mit der Kanalisierung des Grundelbachs 1954/56 und dem ersten Erweiterungsbau des Krankenhauses 1955 endgültig verschwunden.  

Rebstöcke mussten weichen

In früherer Zeit lagen neben und hinter dem Spital längs des Grundelbachs zwei Weinberge, die nach alten Berichten eines Tages auf Wunsch der Hausfrauen ausgehauen und in eine Wäschebleiche umgewandelt worden waren. Am Bachufer wurde ein Bleichhäuschen gebaut und im Bachbett eine Wäscheschwenke angelegt. Verantwortlich für die Bleiche war der jeweilige Hausvater des benachbarten Spitals. Er pflegte den Rasen der Bleiche, teilte sie in Abschnitte ein und kassierte bei den Waschfrauen das Bleichgeld.

Alljährlich im Frühjahr wurde die Bleiche zur Pacht vom 1. April bis 31. Dezember öffentlich versteigert. Meist steigerte sie der Spitalhausvater, denn er wohnte ja gleich nebenan. In der Jahresrechnung des evangelischen Stadtalmosenfonds erschien stets ein Posten mit den Einnahmen aus der Benutzung der Tuchbleiche. Die Bleichmieten waren genau festgesetzt: 24 Stunden 1,20 Mark, halbe Bleiche 60 Pfennig, Viertelbleiche 30 Pfennig, ein Korb voll Wäsche, über Tag auf den Rasen gelegt, 6 Pfennig, über Nacht 9 Pfennig.

Die Hausfrauen brachten vor allem ihre frisch gewaschenen Leinensachen zur Bleiche, schwenkten sie – man kann sich das bei den Erinnerungen an den offenen Grundelbach nur schwer vorstellen – im fließenden Bachwasser und legten sie auf das gemietete Bleichstück. Mit der Gießkanne holten die Frauen Wasser aus dem Bach und befeuchteten die Wäschestücke. War das Bleichen beendet, wurden die Wäschestücke nochmals geschwenkt und zum Trocknen auf die Leinen gehängt.

Tagsüber war der Spitalhausvater für die Wäsche verantwortlich. Wer allerdings die Stücke über Nacht auf der Bleiche liegen lassen wollte, musste sie selbst bewachen. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden die städtischen Bleichen noch fleißig genutzt, dann ließ das Interesse stark nach.

Feudaler Aufwand

Um das Bleichen wurde manch feudaler Aufwand getrieben. Gesellschaftsreporter, die es auch früher schon gab, berichteten, dass Königin Elisabeth I. ihre Wäsche zeitweise zu den holländischen Bleichen von Haarlem schicken ließ. Und Fürst Kaunitz, der Maria Theresia als Staatsminister diente, soll seinen Kammerdiener beauftragt haben, die Wäsche nicht in Wien, sondern in Paris waschen und plätten zu lassen. Der Diener zog allerdings die Donau der Seine vor und steckte die gesparten Transportkosten in die eigene Tasche. Offenbar war er sicher, dass der Minister den Unterschied nicht riechen würde.

Mannheim als Bleich-Hochburg

Kaum vorstellbar, aber Tatsache: Mannheim hatte einst einen guten Ruf, was Luft und Wasser betraf. 1783 richtete der Stadthauptmann Ferdinand Theurer vor dem Rheintor eine Bleiche ein. Sie wurde so bekannt, dass selbst Kunden aus Frankfurt, Heilbronn und Würzburg ihre Wäsche nach Mannheim schickten. Aus alten Berichten im Mannheimer Stadtarchiv weiß man, dass neben der Qualität des Rheinwassers der Rasen der Bleiche die Duftnote prägte. Aber die auswärtige Konkurrenz nahm das nicht als gegeben hin, sondern warb im Textteil des „Mannheimer Anzeiger“ für die Heilbronner, die Pforzheimer oder die Schopfheimer Bleiche, die in Mannheim Sammelstellen für Wäschestücke unterhielten. Berühmt in jener Zeit, als Adalbert von Chamisso ein romantisches Loblied auf „Die alte Waschfrau“ dichtete, war das Dorf Ziegelhausen bei Heidelberg, dessen Quellwasser besondere Qualität nachgesagt wurde. Deshalb entwickelte sich am Neckarufer im ausgehenden 18. Jahrhundert eine Kundenwäscherei und -bleicherei, die noch bis in die Zeit nach den Zweiten Weltkrieg Bestand hatte.

25 Wäscherinnen

Im Weinheimer Adressbuch von 1891 sind die Namen von 25 Wäscherinnen enthalten, die wohl immer dann besonders glücklich waren, wenn „Drickelwetter“ herrschte und die Wäsche im Wind flatterte. (2002/2020)