1919: Sportplatzweihe beim FV 09 Weinheim

Auch am Stahlbad war keine Bleibe

Die Bäckerei Schott.
Mit dem Baubeginn für die Bäckerei Schmitt (heute Grimminger) endete die 17-jährige Stahlbadzeit des FV 09 Weinheim. Der Sportplatz „nahe der OEG-Haltestelle Stahlbad“ wurde Baugelände.

von Heinz Keller

In den ersten Dezember-Tagen des Jahres 1919, erfuhren die Leser des „Weinheimer Anzeiger“, dass in der Nähe des OEG-Haltepunktes Stahlbad ein neues Spielfeld für den FV 09 Weinheim eingeweiht wird. „Der Sportübungsplatz am Stahlbad“, berichtete die Lokalzeitung am 3. Dezember 1919, „wird in diesen Tagen zur Benutzung kommen. Die elektrische Straßenbahn wird auf Verlangen dortselbst stets halten, damit die Besucher der sonntäglichen Wettspiele bequeme Fahrgelegenheit haben“.

Das Eröffnungsspiel am 7. Dezember bestritten der FV 09 Weinheim und der SV 09 Viernheim. Es endete bei unangenehmer Witterung mit einem 2:1-Erfolg der Gastgeber. Nach dem Zeitungsbericht sahen 700 bis 800 Zuschauer den gelungenen Einstand der Nullneuner im Stahlbad.

Ständig auf Platzsuche

Der von der Stadt Weinheim angelegte Sportplatz „Haltestelle Stahlbad“ war eine Station in der schier endlosen Geschichte der Heimatlosigkeit des FV 09 Weinheim, der immer wieder eine neue Spielstätte brauchte, wenn die aktuelle für andere städtische Vorhaben genutzt werden sollte. Das war schon beim ersten Sportplatz am Schlachthof so. Die mit einem Gastspiel der Fußballmannschaft des in Frankfurt stationierten Infanterie Regiments Landgraf Friedrich I. von Hessen-Cassel Nr. 81 eröffnete Spielstätte musste 1916 dem Kriegsküchengarten weichen, in dem die Lebensmittel für die von der Stadt Weinheim betriebenen Kriegsküche angebaut wurden.

Bis dahin hatte der am 20. März 1909 im Gast haus „Zum Schwanen“ gegründete Fußballverein eine gute Entwicklung an der Viernheimer Straße (heute städtischer Bauhof) genommen. Zwei Franzosen, zwei Engländer und ein Argentinier standen in der Mannschaft, allesamt Schüler des Bender’schen Instituts, an dem englische Lehrer den aus ihrem Heimatland importierten Sport pflegten.

Im Stahlbad erlebte der FV 09 Weinheim in den 1920-er und 1930-er Jahren besondere Tage bei den Gastspielen des SV Waldhof mit dem jungen Nationalspieler Sepp Herberger, des Lokal rivalen VfR Mannheim und der Wormser Wormatia, in der gerade der spätere Nationalspieler Seppl Fath heranwuchs.

Sportplatz wurde Baugelände

Ab August 1936 waren die Tage der Nullneuner-Spielstätte im Stahlbad gezählt, als der Gemeinderat dem Verkauf eines Bauplatzes auf den Allmendäckern an den Bäckermeister Otto Schmitt zustimmte. Das Anwesen Schmitt (heute Bäckerei Grimminger) wurde das erste Haus der neuen Siedlung im Westen der Stadt und ihm musste der Sportplatz weichen. Die heimatvertriebenen Nullneuner erhielten an der Badeniastraße ein neues Spielfeld, das im Blick auf den südlichen Nachbarn „Naturin-Sportplatz“ genannt und am 16. August 1936 mit einem Gastspiel des Karlsruher Fußballvereins eröffnet wurde. Der KFV war nicht nur Gründungsmitglied des Deutschen Fußballbundes (DFB), sondern als mehrfacher Deutscher Meister auch eine Spitzenmannschaft vor und nach dem Ersten Weltkrieg.

Die sogenannte Badenia-Senke für dem Bau des Sportplatz.

An der Badeniastraße, in den Gärten der Senke gegenüber den Reichsbahn-Wohnblocks,
entstand 1936 der Naturin-Sportplatz, die neue Spielstätte der Nullneuner. (Bild: WN-Archiv)

Aber auch an der Naturin hatten die Nullneuner keine endgültige Bleibe. Der Platz wurde erst von der Wehrmacht, dann von den Amerikanern genutzt, dann schwer geschädigt dem FV 09 zurückgegeben und 1961/62 mit der Sportstätten-Kombination Hallenbad/Sporthalle bebaut.

Die Nullneuner fanden eine neue Bleibe im Sepp-Herberger-Stadion, ehe der finanz-schwache Verein 1998 mit der TSG 1862 Weinheim einen Verschmelzungsvertrag schloss. Mit der Aufnahme endete die 89-jährige Geschichte des lange zweitgrößten Weinheimer Sportvereins. Ihren sportlichen Höhepunkt hatte sie am 4. August 1990, als der FV 09 Weinheim den Deutschen Rekord-Pokalsieger Bayern München durch ein Elfmetertor von Thomas Schwechheimer aus dem DFB-Pokal warf. Die Erinnerungen an die Nullneuner, die vor 100 Jahren ihr Glück im Stahlbad suchten, aber nicht finden konnten, leben heute in den Fußballmannschaften der TSG 62/09 fort.