Die fast hundertjährige Geschichte der Stadthalle

Historische Ansicht der Stadthalle.
Fast 20 Jahre prägten die Stadthalle mit dem Eingang von der Straßenseite und der Wandelhalle im Osten und das benachbarte Hotel „Pfälzer Hof” das Stadtbild an der Einmündung der Birkenauertalstraße in die Bergstraße. Bild: WN-Archiv/Kopetzky

von Heinz Keller

Alle Beiträge in diesem Zeitungsarchiv sind erstmals in den Weinheimer Nachrichten erschienen. Die Veröffentlichung auf der Internetseite des Weinheimer Museums erfolgt mit der Zustimmung der DiesbachMedien GmbH.

Über 100 Jahre zurück reicht die Geschichte der Stadthalle. Im Stadtarchiv kann man sie verfolgen. Erstmals wurde die Frage einer Festhalle für Weinheim am 16. Mai 1922 im Stadtausschuss für Körperpflege und Jugenderziehung diskutiert. Der Ausschuss fasste einen bemerkenswerten Beschluss: „Es soll unter Hinzuziehung der Presse für ein solches Projekt Stimmung gemacht werden”. Die Besprechung von Interessenten an einer Festhalle, die am gleichen Tag angeregt wurde, kam indes erst am 6. März 1924 zustande. Unter Vorsitz von Oberbürgermeister Huegel und unter reger Beteiligung der Vereine, der Industrie und anderer Interessenten wurde der Vorschlag erarbeitet, mit Rücksicht auf die Finanznot der Stadt eine GmbH zu gründen. Geplant wurde die Festhalle zu diesem Zeitpunkt mit 1.700 Sitzplätzen im Zuschauerraum und auf einer Empore. Ein Kostenvoranschlag bezifferte den Aufwand auf 800.000 Reichsmark. Für die weitere Planung wurde eine städtische Kommission eingesetzt. Es kam allerdings nicht zur Verwirklichung dieser Pläne. Am 10. Januar 1925 stellte Oberbürgermeister Huegel in einer Aktennotiz fest, dass das Projekt vorläufig nicht durchgeführt werden kann.

Das Baujahr 1927

Die Festhalle „Pfälzer Hof, historische Aufnahme.
Die Festhalle „Pfälzer Hof” mit dem ursprünglichen Eingang von Osten. Bild: Stadtarchiv

Im Frühjahr 1927 bot Hotelier Reiffel, der Besitzer des Hotels „Pfälzer Hof”, der Stadt Weinheim an, einen Festsaal mit 1.500 Sitzplätzen zu errichten. Zu den etwa 100.000 RM Baukosten sollte die Stadt einen Baukostenzuschuss von 60.000 RM leisten. Der Bürgerausschuss ging auf das Angebot ein. Am 1. April 1927 genehmigte er das Reiffel-Projekt und gewährte ein Hypothekendarlehen im Betrag von 60.000 bis 70.000 Reichsmark. Unter der Bauleitung von Architekt Leopold Wenz und unter Beteiligung namhafter Weinheimer Handwerksbetriebe wurde sofort mit dem Bau der Festhalle begonnen. Am 9. Juli 1927 war Richtfest, vier Wochen später, am 6./7. August, fand bereits die Einweihung der allerdings noch (lange) unverputzten „Festhalle Pfälzer Hof” statt.

Zwei Jahre nach ihrer Eröffnung, im Jahre 1929, bot Hotelier Reiffel seine Festhalle der Stadt zum Kauf an. Sie war ihm zu einer übermäßigen Belastung geworden. Doch die finanzschwache Gemeinde musste ablehnen. 1931 ging die Halle an die Bezirkssparkasse Weinheim und noch im gleichen Jahr auf dem Weg über eine Zwangsversteigerung an die Stadt Weinheim. 1939 beschlagnahmte die Wehrmacht bei Kriegsbeginn die Festhalle zur Getreideeinlagerung, ab 1943 diente sie einer Mannheimer Schuhgroßhandlung als Lagerstätte und wurde erst im April 1949 nach einem langwierigen Räumungsprozess wieder frei.

Die zehnjährige Fremdnutzung hatte ihre Spuren hinterlassen, die Schäden waren aber geringer als man befürchtet hatte. Die Stadt stand dennoch vor einer gewaltigen Herausforderung. Ein Jahr nach der Währungsreform durfte man schon mal die Frage stellen, ob es in Zeiten der Not vertretbar sei, Geld für die Wiederherstellung einer Festhalle auszugeben. Oberbürger-meister Rolf Engelbrecht gab am 17. Oktober 1949 bei der Einweihung der neuen Stadthalle, wie die einstige Festhalle „Pfälzer Hof” nun hieß, die Antwort auf die Frage: „Wollten wir die kulturellen und geselligen Werte leugnen, würden wir uns selbst aufgeben”. Damit rechtfertigte er den Aufwand für eine moderne Bühnenanlage mit Garderoben und Toiletten für die Künstler, einen Orchesterraum für 60 Musiker, fast 1.000 Sitzplätze im Saal und auf der Empore, eine Wandelhalle mit Ausschank und die Küche im Untergeschoss. Stadtbaumeister Paul Kleefoot übergab den Schlüssel an den neuen Geschäftsführer der Kulturgemeinde, Hans-Joachim Hoerenz, der fortan die in städtische Regie übergegangene Stadthalle verwaltete. Wenige Tage später eröffnete die Kulturgemeinde vor vollbesetztem Haus ihre erste echte Spielzeit mit der Verdi-Oper „Aida”. Weil die Künstler hinter der Bühne jämmerlich froren, wurde im Winter eine Wärmeluftanlage eingebaut.

Historische Ansicht der Stadthalle.
Fast 20 Jahre hatte diese Ansicht Bestand: der 1956 entstandene Eingang von der Südseite der Stadthalle, das Hotel ”Pfälzer Hof” und das neue Telegrafenamt (?) im einstigen Posthof Hübsch.

Eine wesentliche Veränderung erfuhr die Stadthalle im Juni 1956: der Eingang, der bisher mit einem säulengestützten Vorbau von Osten erfolgte (heute Ausgang zu den Parkplätzen), wurde nach Süden verlegt, an die Birkenauertalstraße. Der neue Eingang erhielt einen vorgebauten Windschutz und auf beiden Seiten Kassenhäuschen. Im Innern entstanden eine Wandelhalle auf der Ostseite und mehr Garderobenraum. Die mit dem Ausbau der Stadthalle verbundenen Straßenbauten brachten dem Ost-West-Verkehr zwei Fahrbahnen und auf Kosten der Bismarck-Anlage eine West-Ost-Fahrbahn. Die Verkehrsplaner berücksichtigten dabei die Verbreiterung der B 38 im Birkenauer Tal und die mit der Verdolung des Grundelbachs entstandene Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, die nicht länger in einen Engpass bei der Stadthalle führen sollten.

Die neue Stadthalle

Historische Ansicht der Stadthalle bei Nacht.
Kultureller und gesellschaftlicher Mittelpunkt Weinheims: die Stadthalle. Bild: WN-Archiv/Kopetzky

Knapp 20 Jahre hatte die Stadthalle in dieser Form Bestand. 1975 wurde die neue Stadthalle mit modernisiertem Innenbereich, Foyers auf der West- und der Ostseite, einem Restaurant an der Birkenauertalstraße und erneut veränderten Eingangsbereichen ihrer Bestimmung übergeben. Voraussetzung für diese Umgestaltung war der Abbruch des maroden Hotelkomplexes „Pfälzer Hof”. 1999 verhalfen fünf Millionen DM Jubiläumsspende des 150 Jahre alt gewordenen Unternehmens Carl Freudenberg der Stadthalle endgültig zu ihrer Funktion als kultureller Mittelpunkt Weinheims.