Weinheimer Tankstellen-Geschichte

Man wollte keine Zapfsäule auf dem Gehweg

„Die Dapolin“, bekannteste Weinheimer Tankstelle und Treffpunkt.
Die bekannteste Weinheimer Tankstelle stand am nördlichen Stadtausgang: „die Dapolin”, wie sie genannt wurde, war gleichzeitig Tankstelle und Treffpunkt. (Bild: WN-Archiv)

von Heinz Keller

Im Jahre 1926 waren in Weinheim 126 Automobile angemeldet, aber die meisten Tankstellen noch immer in Planung. Seit 1924 bemühten sich die Mineralölfirmen um Standplätze für Tankanlagen, aber ihr Wunsch, die Benzinpumpen auf die Gehwege zu stellen, stieß immer wieder auf den Widerstand der Stadtverwaltung, deren Bedenken das letztlich entscheidende Bezirksamt zwar grundsätzlich teilte, aber mit Auflagen erst kompromiss- und dann auch genehmigungsfähig machte.

Einer der neuen Begriffe, die sich den Weinheimern schnell einprägten, war Dapolin. Die Wortschöpfung vereinfachte den Namen Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft. 1925 erhielt die Mechanische Werkstätte Georg Bickel & Söhne an der Bergstraße die Genehmigung, eine Dapolin-Zapfsäule auf den Gehweg zu stellen. Das konnte das Bezirksamt 1926 auch der Reparaturwerkstatt Josef Steiert nicht versagen, aber in der Nachbarschaft der Gaststätte „Zur Stadt Hamburg“ wurde streng darauf geachtet, dass die Motalin-Zapfsäule der Deutschen Gasolin zwischen den damals noch vorhandenen Straßenbäumen an der Sulzbacher Landstraße (heute Bergstraße) errichtet wurde.

Drei Jahre nach dem Antrag des Benzol-Verbandes erhielt Georg Ebert 1927 die Genehmigung, eine BV-Aral-Tankanlage mit zwei Füllstellen an der Bergstraße zu eröffnen, und Johann Leonhard, der „Falken“-Wirt, durfte eine Zapfstelle der Olex, Deutsche Benzin- und Petroleum-Gesellschaft (BP), auf den Gehweg der Heidelberger Straße (heute Bergstraße) vor dem OEG-Bahnhof stellen.

Auch die Nordstadt musste nicht ohne Treibstoff auskommen. 1929 eröffnete Eduard Fritz bei der Einmündung der Alten Landstraße in die Bergstraße (heute Gaststätte „Hexenstübchen“) die Dapolin-Tankstelle als erste selbständige Tankstation. Sie blieb weniger der Standard- und Esso-Kraftstoffe wegen lange in Erinnerung, sondern viel mehr als Treffpunkt: „Sonntag, 15 Uhr, an der Dapolin“ hieß es jahrzehntelang nicht nur für die Wanderer des Odenwaldklubs.

Zwischen Steiert und Fritz konnte man an der Sulzbacher Landstraße außerdem bei Josef Sabersky-Müssigbrodt, dem Fahrlehrer und ersten Ford-Händler, und nebenan bei Peter Lautenschläger tanken.

Als Adam Jöst, Inhaber der „Ersten Weinheimer Dampfvulkanisieranstalt“, 1931 auf dem Gelände neben der einstigen Strickwarenfabrik Ludwig Schneider (später Kukirolfabrik) seinem Reifen- und Schlauchverkauf eine Tankstelle angliedern wollte, gab es allein entlang der heutigen Bergstraße schon elf Tankanlagen. „Eine weitere Tankstelle ist zuviel!“, protestierten die Tankstellenbesitzer und fanden Unterstützung bei der „Ersten Badischen Teigwarenfabrik Wilhelm Hensel“ (später 3 Glocken), die ihre elf Lastzüge und Lastwagen und 49 Betriebs-PKW an einer eigenen Betriebs-Tankstelle versorgte, wie übrigens auch Freudenberg, Hirsch, die Gummifabrik, der Konsumverein und die Stuhlfabrik Vogler. Der Einspruch beeindruckte das Bezirksamt allerdings nicht: „Die Genehmigung kann nicht von der Bedürfnisfrage abhängig gemacht werden“. Adam Jöst baute sein Wohn-, Büro- und Werkstattgebäude und stellte 1935 drei überdachte Zapfsäulen davor. Hier konnte man erstmals, wenn es regnete, im Trockenen tanken.

1936 gab es im gesamten Stadtgebiet zwölf Tankstellen. Eine weitere wollte „Rebstöck’l“-Wirt Karl Wetzel zum Neubau seiner Garagen beim Volksbad am Schlossberg stellen. 1924 hatte er bei einer Voranfrage dafür Zustimmung gefunden, doch 1936 konnte er das behördliche Ja nur bekommen, „wenn in Baden eine andere Tankstelle abgebrochen wird“. Der Wetzel-Antrag scheiterte auch deshalb, weil der Verkehr auf der Reichsstraße 3 seit der Eröffnung der Reichsautobahn zurückgegangen war und – so sagten es übereinstimmend Industrie- und Handelskammer und Wirtschaftsminister Walter Köhler – „für eine weitere Weinheim Innenstadt-Tankstelle kein Bedürfnis besteht“.

Im Jahre 2019 gibt es im Weinheimer Stadtgebiet acht große Tankanlagen.