Geschichten von Weinheimer Cafés

Zuckerbäcker kamen lange auf keinen süßen Zweig

Portraitfoto Hermann Krautinger und Denise Pitzer
Hermann „Männl” Krautinger (links) ist der Pate des Café „Fräulein Männl“, seine Enkelin Denise Pitzer die Betreiberin. Bild: Stadt Weinheim

von Heinz Keller

Ein junges Gesicht schmückt eine alte, lange Geschichte: nahe dem Hexenturm hat Denise Pitzer im März 2019 mit der Eröffnung des Cafés „Fräulein Männl“ die Geschichte einer Weinheimer Konditoren-Dynastie wiederbelebt, die 1991 zu Ende schien, als sich Konditormeister Hermann Krautinger entschied, das legendäre Café Krautinger in der Mitte der Fußgängerzone zu schließen. Der Name Café „Fräulein Männl“ ist eine Hommage an den Opa, den seine Freunde nur „Männl“ nennen.

Das Café Krautinger war Weinheims älteste Konditorei, 1858 gegründet, als der Konditor Philipp Krautinger nach Weinheim kam und am Marktplatz sein erstes Geschäft eröffnete. Er war auch der erste „Conditor“, der sich durchsetzte. Das hatte ein namentlich unbekannter Lebkuchenbäcker nicht geschafft, der 1665 vorübergehend in Weinheim lebte, auch nicht der Heidelberger Friedrich Bleikart Loos, dem der Stadtrat 1798 die Bürgerannahme mit der Begründung verweigerte, „dass sich in hiesiger Stadt und Umgebung ein Zuckerbäcker nicht ernähren könnte“. 1843 ließ sich dann Georg Christoph Kilian als Konditor nieder, aber die Zeiten waren zu arm und deshalb wanderte Kilian 1847 enttäuscht nach Amerika aus. Auch ein Weinheimer namens Heuß hatte keinen Erfolg mit seiner Konditorei und widmete sich allein seinem Kaufmannsgeschäft. Die Konditoren, Lebküchler und Zuckerbäcker zählten damals – berichtet Karl Zinkgräf in seiner Jubiläumsschrift „Das Weinheimer Bäckerhandwerk in alter und neuer Zeit“ (1935) – nicht zur Weinheimer Bäckerzunft und betrieben nebenbei meist noch Handel mit Kolonialwaren.

 

Das Café Krautinger in der Weinheimer Hauptstraße, 1972.
Das Café Krautinger in der Mitte der Fußgängerzone war eine Institution. Das Bild stammt aus dem Jahr 1972. Bild: Stadtarchiv

Philipp Krautinger hatte wohl schon von Anfang an Erfolg, denn schon nach acht Jahren wechselte er aus der Nachbarschaft der Löwen-Apotheke in die heutige Fußgängerzone und 1893 wurde Krautinger Hausbesitzer: von Kaufmann Johann Hermann Fild kaufte er gegenüber dem heutigen Windeckplatz ein „zweistöckiges Wohnhaus mit Ladeneinrichtung und Durchfahrt“ (Grundbuch)für 29.800 Mark und verlegte Konditorei und Café in den neuen Besitz. Der Konditor scheint ein rühriger Mensch gewesen zu sein, denn 1902 eröffnete er in der Nordstadt, bei der Einmündung der Alten Landstraße in die Bergstraße, eine Filiale und 1907 verkündete er im „Weinheimer Anzeiger“ seine Geschäftsverlegung ins Hotel „Vier Jahreszeiten“ (heute Weinheim-Galerie). Im Adressbuch 1913 ist Philipp Krautinger als Hotelier und Konditor erwähnt, doch führten ihn die schwierigen Jahre nach dem Ersten Weltkrieg wieder zurück in die Fußgängerzone.

Sein Sohn Hermann machte hier das Cae Krautinger zu einem beliebten Treffpunkt, der 1958 erweitert und 1960 von Hermann Krautinger jun. übernommen wurde. Das Angebot des Großvaters („ff. Vanillechocolade, ächt chin. Thee, italienische, griechische, spanische Flaschenweine, ff. holländische Liqueure“) galt nun nicht mehr, aber die eigenen Pralinen und die „Weinheimer Schlosspark-Nüsse“ hatten viele Freunde.

 

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen waren goldene Jahre für die Kaffeehäuser. Knapp ein Dutzend Cafés gab es 1933 in Weinheim. Als die Versorgungsengpässe der ersten Nachkriegsjahre überwunden waren, suchte man auch in den Kaffeehäusern das „neue Leben“. Deshalb hatte sich auch 1958 an der Anzahl der Häuser nichts geändert, wohl aber an den Namen der Inhaber. Die Traditionshäuser waren vor und nach dem Zweiten Weltkrieg besondere innerstädtische Anziehungspunkte, vor allem Hermann Krautinger und Ludwig Vogel an der Hauptstraße, Otto Heck auf dem Marktplatz. Tradition wurde aber auch im Café Wolf am Rodensteinerbrunnen, im „Rheingold“ an der Ludwigstraße und im Café Kress an der Mannheimer Straße gepflegt.

Zur „Weinheimer Woche“ präsentierten die Familien Krautinger (links) und Heck ihren Eispalast.
Zur „Weinheimer Woche” präsentierten die Familien Krautinger (links) und Heck ihren Eispalast. Bild: WN-Archiv

Einige der alten Kaffeehäuser hatte nach dem Zweiten Weltkrieg allerdings andere Namen wie das Café Keppler, das nun Café Schütz hieß, das Café Biersack, das auf dem Marktplatz (heute Restaurant Kugelofen) die Heckschen Traditionen pflegte, oder das Café Riede (heute Café Bistro Stadtmauer am Hutplatz), das nun von Heinz Link als Café Walter geführt wurde. Nicht mehr dabei waren 1958 das Café Moll an der Alten Landstraße, dafür gab es mit Ludwig Arnold auf dem Dürreplatz, Rudolf Schnabel an der Bergstraße nahe der Friedrichschule, Heinrich Steuerwald an der Ecke Prankel-straße/Friedrich-Vogler-Straße und Georg Vehmann an der Moltkestraße neue Einladungen zur Kaffeestunde. (2006/2020)