Vor 100 Jahren: Joseph Huegel gewählt.
18-jährige Dienstzeit folgte

Einer der großen Bürgermeister Weinheims

Portraitfoto Joseph Huegel
Vor 100 Jahren wurde Joseph Huegel Bürgermeister von Weinheim. Er zählt zu den bedeutendsten Stadtoberhäuptern in Weinheims Geschichte. (Bild: WN-Archiv)

von Heinz Keller

Vor hundert Jahren, am 10. Mai 1920, wählten Gemeinderat und Bürgerausschuss den bisherigen Bürgermeister von Ettlingen, Joseph Huegel, zum neuen Weinheimer Bürgermeister. Der damals 44-jährige Jurist amtierte bis zu seinem Amtsverzicht aus gesundheitlichen Gründen am 31. Juli 1938 und war einer der großen Weinheimer Bürgermeister. Joseph Huegel, ab 1923 Oberbürgermeister, starb am 10. Januar 1947 in Graz. Seine sterblichen Überreste wurden 1954 nach Weinheim überführt und im Familiengrab beigesetzt. Nach Joseph Huegel ist am Wüstberg eine Straße benannt.

Joseph Huegels Lebensweg begann am 19. Oktober 1876 in Neckarelz. Als Sohn eines Eisenbahn-Tunnel- und Brückenbauunternehmers besuchte er Schulen in Mainz, Aschaffenberg und Bad Cannstatt. Nach dem Abitur studierte er Bauingenieurs-Wissenschaft an der Technischen Hochschule Stuttgart. Krankheitshalber gab er dieses Studium auf und widmete sich fortan in Freiburg, Kiel und Heidelberg dem Jurastudium. Bei der Stadt Offenburg wurde Huegel 1912 Rechtsrat, ein Jahr später 2. Bürgermeister. Ab August 1917 wirkte er als Bürgermeister von Ettlingen und erwarb sich in dreijähriger Amtszeit große Beliebtheit.

Gründe für Weinheim

Dennoch bewarb sich Joseph Huegel 1920 um die freie Bürgermeisterstelle in Weinheim. In seinen Lebenserinnerungen hat er die Gründe dafür benannt: „Was mich an Weinheim reizte und was mich auch zur Ablehnung des Offenburger Angebots, dort Bürgermeister zu werden, war seine wirtschaftliche Bedeutung. Obgleich zu jener Zeit eine Stadt mit knapp 15.000 Einwohnern stand Weinheim im Wettstreit mit Lörrach um den 4. Platz unter allen badischen Städten bezüglich ihrer gewerblichen und industriellen Steuerkraft. Weinheim hatte im Deutschen Reich die größte Lederfabrik, die größte Teigwarenfabrik und die größte Bürstenfabrik”.

Am 1. August 1920 trat Huegel sein neues Amt an. Es wurde 1923 aufgewertet: mit 14.555 Einwohnern war Weinheim inzwischen eine „mittlere Stadtgemeinde” und an der Spitze ihrer Verwaltung standen fortan ein Oberbürgermeister und ein Bürgermeister. Amtsstellvertreter wurde am 2. Januar 1924 Bürgermeister Dr. Friedrich Meiser. Die Stadt Weinheim stellte übrigens im Haushalt 1923/24 für Bürgermeister-Gehälter (Huegel, Dr. Meiser) und Witwenpensionen (Frau Ehret, Frau Wettstein) 4.165.304.488.429.613 Mark bereit, in Worten: 4,2 Trillionen Mark.

Schwierige Aufgaben

Oberbürgermeister Huegel, 1929 von den Stadtverordneten wiedergewählt, hat in schwieriger Nachkriegs- und Inflationszeit hervorragende Arbeit in Weinheim geleistet. Im Wirrwarr der Parteienmeinungen – 1926 verteilten sich die 12 Gemeinderatssitze auf neun Parteien! – war es für ihn schwierig, das Wohl der Stadt im Auge zu behalten.

In der 18-jährigen Amtszeit von OB Huegel waren zunächst Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefragt. Die alten Straßen wurden saniert, neue Straßen gebaut. Die Wohnungsnot war riesengroß. Deshalb wurde neues Bauland im Prankel, am Hirschkopf und am Wachenberg, mir der Siedlung im Westen und am Stahlbad erschlossen. Auf Huegel gehen auch die Verhandlungen mit dem Grafen von Berckheim zurück, der 1926 zur Unterbringung der wachsenden Stadtverwaltung Teile seines Schlosses vermiete, schließlich den gesamten Komplex 1938 an die Stadt verkaufte. Huegels Amtsnachfolger, der vom badischen Reichsstatthalter Robert Wagner berufene stellvertretende NSDAP-Kreisleiter von Pforzheim, Dr. Reinhold Bezler, konnte als erste Amtshandlung den Kauf des Schlosses verkünden, der von Huegel vorbereitet worden war.

OB Huegel lagen die Förderung des kulturellen Lebens, die Erforschung der Heimatgeschichte und die Werbung für den Fremdenverkehr sehr am Herzen.

OB und Corpsstudent

Huegel war auch Stadtoberhaupt der Heimatstadt des Weinheimer Senioren Convents und als Mitglied der Corps Bavariae Stuttgart und Sueviae Freiburg zugleich Weinheimer Corpsstudent. Stadt und WSC haben das immer als „historischen Glücksfall“ angesehen. Huegel erfüllte eine schon 1909 beim Baubeginn der Wachenburg zugesagte städtische Vertragsverpflichtung: den Bau einer Zufahrtsstraße zur Wachenburg, die damals nur aus dem Birkenauer Tal und über Waldwege zu erreichen war. In schwierigster Zeit ließ er, listenreich, den Straßenbau oben an der Burg beginnen, weil er damit rechnen durfte, dass bei finanziellen Schwierigkeiten und Baustop die Öffentlichkeit die Weiterführung der Straße bis zur Stadt verlangen würde. Erst bei der Eröffnung der Wachenbergstraße 1934 sprach der OB über diese Taktik.

In Huegels Amtszeit fiel auch der Bau einer Ehrenhalle auf der Wachenburg für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Weinheimer Corpsstudenten. In der Burgschänke gibt es eine Oberbürgermeister-Huegel-Ecke.

Unerfüllter Wunsch

Mit Rücksicht auf seinen schlechten Gesundheitszustand schied Oberbürgermeister Huegel 1938 freiwillig aus dem Amt. Als Ruhestandssitz wählte er zunächst Wiesbaden, dann Graz. In der steirischen Hauptstadt wurde nach Kriegsende 1945 sein Haus als reichsdeutscher Besitz beschlagnahmt. Gleichzeitig blieben die Pensionszahlungen aus, so dass Joseph Huegel gern nach Weinheim zurückgekehrt wäre. Der Wunsch blieb unerfüllt, obwohl ihm die Stadtverwaltung die amtliche Zuzugs- und Aufenthaltsgenehmigung erteilte. Als sie in Graz eintraf, war einer der bedeutendsten Bürgermeister Weinheims bereits verstorben: er erlag am 10. Januar 1947 einem langen Leiden.

Es gab dann doch noch eine Heimkehr: am 3. Mai 1954, sieben Jahre nach seinem Tod, wurden die sterblichen Überreste Joseph Huegels im Familiengrab auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. (2020)